Die Kapillare im Kältekreis

 

Meist mehrere Meter lang und mit einem Innendurchmesser von weniger als einem Millimeter: Die Kapillare ist eine der Kernkomponenten im Kältekreis und genauso wichtig wie der Kompressor – trotzdem wird sie gerne unterschätzt. Dabei trumpft sie mit ein paar attraktiven Eigenschaften auf: Das Rohr ist kostengünstig, arbeitet passiv, ist robust und gut reproduzierbar. Durch ihren Druckabfall stellt sie im Kältekreis auf simple Weise das Niveau der Verdampfungstemperatur und den Kältemittelmassenstrom ein. Aber wie wird diese Komponente richtig ausgelegt und spezifiziert?

Der Kompressor – komplex, aber gut abzubilden

Beginnen wir beim Kompressor, der aus einer Vielzahl mechanisch beweglicher Teile besteht. Seine Arbeit ist es, den Kältekreis anzutreiben, indem er das Kältemittel zirkulieren lässt. Für die Abbildung seiner Leistungsfähigkeit dienen entweder das Datenblatt des Herstellers oder auch selbst erhobene Daten aus einem Prüfstand. Aus diesen Informationen können relativ einfache Modelle gebildet und zur Auslegung verwendet werden.

Die Kapillare – wertvoll, aber kaum zu erfassen

Schliffbild einer Verbindung zweier Kapillarenden

Schliffbild einer Verbindung zweier Kapillarenden

Der Kompressor verlangt nach einem Gegenspieler. Hier kommt das Drosselorgan ins Spiel, denn erst dieses macht die Inbetriebnahme des Kältekreises möglich. Die Kapillare ist die simpelste Variante des Drosselorgans. Sie weist keine beweglichen Teile auf und wirkt passiv.

Der Prozess, welcher in ihr stattfindet, kann man sich wie folgt vorstellen: Das Kältemittel tritt in flüssiger Form in das Rohr ein, in Fliessrichtung entsteht ein Druckabfall. Dieser führt dazu, dass das Kältemittel schliesslich in den Zweiphasendom gelangt – was bedeutet, dass es zu sieden beginnt. Dabei setzt ein sich selbstverstärkender Prozess ein: Es bilden sich Gasblasen, welche die Strömungsgeschwindigkeit beschleunigen und so zu weiterem und stärkerem Druckabfall führen. Dadurch wiederum nimmt die Gasblasenbildung weiter zu. Dieser Prozess endet erst, sobald das Kältemittel aus der Kapillare austritt.

Die grosse Herausforderung ist nun, diesen phyiskalischen Vorgang praktikabel und zuverlässig abzubilden. Eine allgemeingültige Formel gibt es dabei nicht.

Knifflige Ausgangslage

Will man diese Zustandsänderung berechnen, sieht man sich schnell mit den Themen Fanno-Kurve, Überschallströmungen, Flow Regimes und deren Änderung konfrontiert. Wobei das mitzirkulierende Öl noch gänzlich unberücksichtigt bleibt. Es gibt zwar ein paar empirische und semi-empirische Modelle, die für gewisse Ausgangslagen durchaus sinnvoll sind, aber ungültig werden, sobald sich die Rahmenbedingungen ändern. Und hat man zusätzlich einen internen Wärmetauscher integriert, was bei den meisten Kältekreisen der Fall ist, scheitert jedes Modell mit seiner Berechnung.

»Länge und Innendurchmesser sind bekannt – also alles kein Problem?«

Eine Kapillare zu spezifizieren, braucht viel Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Fachwissen. Selbst wenn Länge und Durchmesser der Kapillare bekannt sind, bedeutet das nicht automatisch Prozesssicherheit. Denn Drosselkapillaren werden mit dem sich einstellenden Stickstoffvolumenstrom bei einer definierten Druckdifferenz spezifiziert. Dass Entwickler und Lieferant diesbezüglich dasselbe Verständnis haben, ist dabei unerlässlich.

Prüfung des Innendurchmessers

Prüfung des Innendurchmessers

 
Vergleich von Korrelationen für Kapillarendurchflüsse mit R600a anhand der Messdaten von Melo et al. (1999) und Schenk und Oellrich (2014)

Vergleich von Korrelationen für Kapillarendurchflüsse mit R600a anhand der Messdaten von Melo et al. (1999) und Schenk und Oellrich (2014)

 

Quellenverweis

  • Melo, C., Ferreira, R.T.S., Boabaid Neto, C., Gonc¸alves, J.M., Mezavila, M.M., 1999. An experimental analysis of adiabatic capillary tubes. Appl. Therm. Eng. 19, 669-684.

  • Hermes, C.J.L., Melo, C., Knabben, F.T., 2010. Algebraic solution of capillary tube flows Part I: adiabatic capillary tubes. Appl.Therm. Eng. 30, 449-457.

  • Yilmaz, T., U¨ nal, S., 1996. General equation for the design of capillary tubes. ASME J. Fluids Eng. 118, 150-154.

  • Yang, L., Wang, W., 2008. A generalized correlation for the characteristics of adiabatic capillary tubes. Int. J. Refrigeration 31, 197-203.

  • Schenk M., Oellrich L.R., 2014, Experimental investigation of the refrigerant flow of isobutane (R600a) through adiabatic capillary tubes, Int. J. Refrigeration 38, 275-280

  • D.A. Wolf, R.R. Bittle, M.B. Pate, Adiabatic capillary tube performance with alternative refrigerants, ASHRAE Res. Project RP-762 (1995).

 

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